Donnerstag, 22. Dezember 2016

Einer da oben hasst mich



Allgemeines:

Titel: Einer da oben hasst mich
Autor: Hollis Seamon
Verlag: cbt (2014)
Genre: Drama
ISBN: 978-3570162835
Originaltitel: Somebody Up There Hates You
Seitenzahl: 256 Seiten
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
14,99€ (gebundene Ausgabe)


Inhalt:

 "Ich habe das Einer-Da-Oben-Hasst-Mich-Syndrom. Ich finde, diese Diagnose bringt auf den Punkt, was davon zu halten ist, wenn ich, Sylvie und andere in unserem Alter an einem Ort wie diesem enden und etwas hinter sich haben, das in unseren Grabreden bald ungefähr so klingt: "... ein mutiger Kampf gegen ... (bitte die jeweilige Krankheit einsetzen)."
Wie soll man unser Problem sonst in Worte fassen? EDOHM trifft es meiner Meinung nach verflucht noch mal am besten."


-Lasst mich lieben, bevor ich sterbe!-

Eigentlich ist der 17-jährige Richard ein ganz normaler Teenager – doch er hat Krebs und verbringt die letzten Tage seines Lebens in einem Sterbehospiz. Trotz dieses »Einer-da-oben-hasst-mich-Syndroms«, wie Richard es selbst nennt, hat er seinen Lebensmut nicht verloren und tut alles dafür, so viel wie möglich aus der ihm verbleibenden Zeit zu machen: Sei es, sich Privatsphäre zu verschaffen, wo es eigentlich keine gibt, zu Halloween verkleidet durch die Straßen zu fahren oder die Nähe der 15-jährigen und ebenfalls sterbenskr
anken Sylvie zu suchen …


Bewertung:

Erster Satz: "Ich will euch nichts vormachen."

Dieses Buch ist auf jeden Fall keine leichte Kost, trotzdem wird noch ein letzter Rest Leichtigkeit und Witz vermittelt, weshalb man trotzdem gut vorankommt und sich nicht "durchbeißen" muss. Meine Meinung zu diesem Buch ist nicht ganz eindeutig. Einerseits setzt es sich sensibel und doch sehr unterhaltsam mit einem schwierigen Thema auseinander, andererseits hat es mich aber etwas genervt. 

Das Cover ist schlicht, das Weiß sieht ein bisschen nach Krankenhaus, oder in dem Falle, Hospiz aus, was sehr gut passt. Zusehen ist neben dem roten Titel, der recht anklagend klingt, ein Junge, der den Finger zum Himmel erhoben hat, wie auf den zu zeigen, der Schuld an seinem Debakel ist. Sehr gelungen!

Es geht in erster Linie um Richard, ein siebzehnjähriger Krebspatient, der unheilbar krank in der Hospizstation dahinsiecht. Das könnte man vielleicht meinen, doch tut er das wirklich? Absolut nicht! Anstatt uns einen bemitleidenswerten Sterbenden vorzusetzen, zeichnet die Autorin den Protagonisten an erster Stelle als aufmüpfiger Teenager.
Man darf ihn als Leser zwar in seinen letzten Tagen begleiten, doch ein trauriges Buch ist es deshalb noch lange nicht. Er erscheint fast immer gut gelaunt und versucht seine verbleibende Zeit so gut wie möglich zu gestalten. Man hat ständig das Gefühl, er versuche das beste in der Situation zu sehen und findet tatsächlich immer etwas Positives, wo andere nur Tod und Verzweiflung sehen würden.

"Das alles ist nicht so schlimm. Aber einen ganzen Tag verpassen, so als hätte er gar nicht stattgefunden? Das ist wirklich eine Tragödie."

Am Anfang des Buches habe ich einige teilweise recht verstörende Augenblicke miterleben dürfen und wurde in den Alltag in einem Hospiz eingeführt. Dabei wird über die eigentliche Krankheit nur sehr wenig gesprochen, sie sogar fast ignoriert, während Richard verzweifelt versucht ein normaler Teenager zu sein. Er durchlebt im Schnelldurchlauf seinen Abschied zur Kindheit und versucht alles mitzunehmen, was geht: Sich verlieben, mit einem Mädchen zusammen sein und vielleicht auch mit ihr schlafen. Sich rausschleichen oder sich auch mal volllaufen zu lassen, nur um zu wissen wie das so ist. Nicht alles das tun was Erwachsene verlangen und mal über die Strenge schlagen.
Deshalb ist diese Geschichte weniger ein Buch über eine unheilbare Krankheit, als ein Buch über einen Teenager der ganz normal sein möchte. 

"Ich habe mal eine Liste mit Sachen zusammengestellt, über die ich mir keine Sorgen zu machen brauche: Arbeitslosigkeit, undankbare Kinder, Scheidung, Weisheitszähne, Cholesterinspiegel. Jetzt kann ich noch Kugelbauch und Mittelglatze hinzufügen."

Der Schreibstil ist sehr locker und leicht zu lesen. Wir erleben Richards Gefühle und Gedanken aus der Ich-Perspektive, und zum ersten Mal seit langem hatte ich das Gefühl, dass wirklich ein 17 jähriger Junge seine Geschichte erzählt und kein 60jähriger Opa, der verzweifelt versucht, den Jugendjargon zu treffen und sich dabei vollkommen lächerlich macht. Durch kurze und prägnante Sätze wirkt der Stil jugendlich, unbeschwert und unpassend fröhlich, was in diesem Fall jedoch ein Pluspunkt ist.
 Also warum musste ich dieses Buch doch mit sehr gemischten Gefühlen aus der Hand legen? Mein größter Kritikpunkt sind die Emotionen: Es sind kaum welche vorhanden. Auch wenn das Buch gegen Ende noch einige süße Wendungen nimmt, war mir dieses Buch viel zu wenig emotional und ernst. Immer wenn es zu einer Situation kam, die eigentlich sehr emotional und berührend sein könnte, wurde stark gekürzt oder das Gefühl übergangen und einen Witz gerissen. Natürlich versucht Richard alles etwas zu verdrängen, doch vor allem das Ende hat mich sehr enttäuscht. Mit einem Schuss mehr Gefühlen und Dramatik hätte es mir denke ich, besser gefallen.

Die 15 jährige Sylvie, die zweite Hauptperson ist mir etwas zu blass geblieben. Außerdem gefällt mit Richard an sich nicht wirklich. Dafür dass er angeblich 17 Jahre alt ist, denkt er wie ein schwer pubertierender 13 Jähriger und das ist wirklich kein Genuss auf den man kommen will. Er wurde mir einfach nicht richtig sympathisch, da mir etwas an ihm gefehlt hat, auch wenn ich nicht genau benennen kann, was das war. Vor allem gegen Ende hat er mich irgendwie genervt, auch wenn ich hier ebenfalls nicht genau sagen kann, wieso. Bei mir ist einfach keine richtige Empathie oder Mitleid aufgekommen, ich habe das Buch zu Ende gelesen, zugeklappt und das war es - keine Traurigkeit am Ende (sorry, es war ja sowieso klar, was passiert), nichts.

Trotz meiner recht harten Bewertung kann ich die vielen Rezensenten durchaus verstehen, die dieses Buch mit Fünf-Sterne-Rezensionen anpreisen.

 "Jeannette, beten sie manchmal?"
"Beten? Gute Frage. Vielleicht sollte ich es tun, aber anders als viele andere kann ich mir nicht vorstellen, dass Gott mir sein Ohr leiht. Ich meine, sieh doch nur, wo ich arbeite! Ich wüsste ja nicht mal, für wen ich zuerst beten soll."




Fazit:


 Ich fand das Buch also abschließend gesagt, "okay". Meine Erwartungen wurden zwar nicht erfüllt, doch trotzdem haben mir viele Aspekte auch gefallen. Ein Buch zu diesem Thema auf diese Art und Weise zu schreiben ist sehr mutig und interessant: kein gestelltes "Schnulli-bulli-alles-wird-gut-Buch", das uns einen perfekten und starken Helden vorsetzt, aber auch nicht tragisch und zum mitleiden, auf ganz neue Weise wird eine Krebsgeschichte aufgezogen, leider nicht ganz mein Fall.


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